Schirmherr: Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland
Jüdische Kulturtage im Taubertal: Gibt es eine bessere und kreativere Antwort auf die aktuellen gesellschaftlichen und politischen Diskussionen rund um Antisemitismus, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit?
Fünf Bildungspartner veranstalten gemeinsam mit Stiftern und Schirmherren die Auftaktveranstaltung der „Jüdischen Kulturtage im Taubertal“ am Freitag, 4. Mai um 20 Uhr im Igersheimer Bürgerhaus sowie zur anschließenden bunten Veranstaltungsreihe bis zum 11. Mai. Begegnung mit der jüdischen Kultur und der deutschen Geschichte wird hier vielfältig möglich sein. In Igersheim, Bad Mergentheim und Creglingen.
„Jüdischen Kulturtage“ werden erst zum zweiten Mal in allen drei Kommunen veranstaltet, aber die Bildungspartnerschaft zwischen dem jüdischen Ehepaar Igersheim aus den USA und der Gemeinde Igersheim besteht bereits seit 2010. Viele Schüler und Bürger haben bereits von dieser Bildungspartnerschaft profitiert und Impulse für ein gelingendes Miteinander von Kulturen und Religionen erhalten.
Roy und Adele Igersheim, die jüdischen Stifter und Schirmherren reisen – dieses Jahr begleitet von dem jüdischen Ehepaar Marcia und Howard Kent – extra aus den USA zu den Kulturtagen an. Außerdem freuen sich die Bildungspartner sehr darüber, dass Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, an der Seite des Ehepaares Igersheim die Schirmherrschaft übernimmt.
Diese Unterstützung durch den wichtigsten Repräsentanten des Judentums in Deutschland, dem bekanntermaßen der interreligiöse und interkulturelle Dialog und Austausch sehr am Herzen liegen, empfinden die Bildungspartner als Wertschätzung und Ansporn für die Zukunft.
Es war den Bildungspartnern ein großes Anliegen, diese seit 2010 gewachsene Bildungspartnerschaft zwischen der Johann-Adam-Möhler Schule, der Manfred-Schaffert-Bürgerstiftung Igersheim und dem jüdischen Ehepaar Igersheim nun, da die Igersheimer Hauptschule gezwungenermaßen nach diesem Schuljahr schließen muss, so weiterzuführen, dass eine attraktive und informative Veranstaltungsreihe entsteht.
Manche Einwohner reagierten beim Verteilen der Flyer, die in vielen Rathäusern und Geschäften ausliegen und auf www.juedische-kulturtage-taubertal.de heruntergeladen werden können, irritiert darauf, dass hier im Taubertal Jüdische Kulturtage veranstaltet werden, wo doch kaum noch Juden hier leben. „Das stimmt. Hier leben kaum noch Juden“, meint Ingrid Kaufmann-Kreußer, die die Kulturtage mitorganisiert. „Und wenn man darüber nachdenkt, warum das so ist, kommt man auch schnell zum Grund, warum gerade jüdische Themen die Basis der Kulturtage bilden – und nicht einfach Multikulti-Tage im Taubertal gefeiert werden“.
Das Judentum und die jüdische Kultur gehörten über Jahrhunderte zu Deutschland. Daran ändere auch die fast komplette Ausrottung jüdischer Kultur in Deutschland durch die Nazis nichts, so Kaufmann-Kreußer. „Wir haben eine starke gemeinsame Vergangenheit, die Juden und die Christen“. Das werde an der Auftaktveranstaltung auch der Historiker Hartwig Behr an der Auftaktveranstaltung aufzeigen.
Heute wachsen in vielen Städten die jüdischen Gemeinden langsam wieder, aber bei uns auf dem Land ging doch fast jeder Bezug zum Judentum verloren. Es gibt vereinzelt Stolpersteine auf den Gehwegen, Museen oder Gedenktafeln an ehemaligen Synagogen und mit Moos überwachsene jüdische Friedhöfe. Aber es gibt in den Dörfern keine lebendige jüdische Kultur mehr.
„Es wäre zynisch, darüber zu klagen, was wir Deutsche durch diese Amputation unserer jüdischen Glieder selbst verloren haben“, so Kaufmann-Kreußer. Wissenschaftler, Künstler, Geisteswissenschaftler, Ärzte – viele haben Deutschland verlassen, wenige den Holocaust hier überlebt. Sie fehlen in der Entwicklung des Landes genauso „wie die Mitbürger, die auch wir in unseren Gemeinden verloren haben.“
Roy und Adele Igersheim, deren Familien durch den Holocaust viele Mitglieder verloren und deren Angehörige heute über die ganze Welt verstreut leben, sei dies Motivation für ihr Engagement in Deutschland: Durch Information über den Holocaust und seine Gründe möchten sie vor allem jungen Menschen dabei helfen, Zusammenhänge und Entwicklungen auch im Hier und Jetzt erkennen und richtig einschätzen zu können. Und sie möchten Begegnung von Menschen unterschiedlicher Kulturen und unterschiedlichen Glaubens fördern, damit gegenseitiger Respekt und Interesse wachsen.
Und hier komme auch Interkulturalität ins Spiel, so die Koordinatorin des Bürgernetzwerks Igersheim. Dort gestalte man das Zusammenleben gemeinsam als Christen, Muslimen, Atheisten oder Angehöriger anderer Religionen.
Die Kulturtage sind Begegnungstage, an denen Besucher Klezmermusik, Poetry Slam, Lesungen, Vorbehaltsfilmen des NS-Regimes, Filmabenden, Ortführungen, jüdische Märchen und eine Ausstellung zur Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ erleben können.
Programm der Auftaktveranstaltung am Freitag, 4. Mai, 20 Uhr im Bürgerhaus: Bürgermeister Frank Menikheim: „Nur Wissen und Respekt bringen uns weiter“; Rainer Iwansky, Rektor JAMS: Rückblick auf 8 Jahre Bildungspartnerschaft „Aufarbeitung des Holocaust“; Preisträger Seminarkurs 2016 der KMS: Jenny-Heymann-Preis 2018; Roy und Adele Igersheim, Schirmherren und Stifter: „Our visions for a better world“; Seminarkurs KSM 2018: Die Jüdischen Kulturtage Taubertal 2018; Hartwig Behr: „Einfluss jüdischer Persönlichkeiten und ihres Wirkens auf den Bildungsweg eines im 20. Jahrhundert geborenen Deutschen“; Unterzeichnung der Bildungspartnerschaft „Jüdischer Kultur begegnen / Holocaust verstehen“; Projektchor Singforfun und Ioanna Theofilou mit Paul Rückert: Umrahmung mit hebräischen Liedern; Möhler-Schule Igersheim: Köstlichkeiten der jüdischen Küche.
© Fränkische Nachrichten, Samstag, 28.04.2018